Im Schneeregen.
Eine Geschichte
Man hat ihn, halb erfroren, im Wald gefunden: Matthias Schwitter. Jetzt liegt er in der Klinik, und durch seinen Kopf jagen Erinnerungen, Bilder, Schatten eines Lebens, das nicht weit zurückliegt. Und noch lange nicht gelebt ist. Was hat er tagaus, tagein in der Bank zu tun gehabt? Auf welchen Wegen ist er durch Zürich geirrt? Warum hat sich eine Liebe nicht verwirklicht?
weissbooks, Frankfurt. 2010
103 Seiten
«Ein stilles, präzises, sehr schönes Buch».
NZZ am Sonntag
Die Rezensionen zum Buch →
Leseprobe
«Kurz und knapp: Ein harmloser Ausflug, mit dem Zug nach Einsiedeln, von dort rasch durch das Dorf, am Marienbrunnen vorbei, am Johannisbächli entlang und gleich in den Chlosterwald, hier nun biblische Gestalten vor Augen, wissen Sie, ich bin auf den Kreuzweg gekommen, der Professor nickt, er kennt den Pilgerpfad, führt steil in die Höhe, beim großen Kreuz kurz Luft geschöpft, ein schöner Blick aufs Klosterdorf, der aufgenagelte Jesus eigentlich zu beneiden um die Aussicht, schade, dass er die Augen geschlossen hält, ein letzter Akt irdischer Liebe und Zärtlichkeit, steht auf einem Schild, angesichts der Opferbereitschaft durchaus opportun, es sind schon für mindere Leistungen Tafeln aufgestellt worden, ist doch schön, wenn Erinnerung hochgehalten wird, ein faszinierender Gedanke, die Biographie eines Menschen von der Gedenktafel her zu denken, alles Streben auf diesen einen Satz zu bündeln, doch keine Ausschweifungen, die Lunge hat sich erholt, also weitermarschiert, bald darauf in den Regen gekommen, immer weiter, immer höher gestiegen, Schneeflocken unter dem Regen erkannt, etwas innegehalten, der Professor verzieht das Gesicht, kommt ihm wohl komisch vor, und kalt ist ihm geworden, er knöpft sich den Kittel zu, Sie schildern das so plausibel, sagt er, ich bin noch nicht fertig, es wird noch besser, aber toll, Ihr Einfühlungsvermögen, solche Zuhörer wünscht man sich, also weiter, an der Schneefallgrenze ins Staunen gekommen, wie sicher die Tropfen zu Boden gehen, wie leicht sich die Flocken geben, elegant, man könnte sagen anmutig, dabei Gefallen gefunden an dieser Verbindung auf Zeit, dabei auch ein bisschen über die Vergänglichkeit nachgedacht, wie rasch doch die ganze Pracht zerfällt, für einen Moment an eine stämmige Tanne gelehnt, dem Rhythmus der Tropfen gelauscht, darauf dann irgendwie und erstaunlich plötzlich in den Schnee geraten, schwer und knöcheltief.»